Ulrike Wellkamp
Pflegeblog

Ich habe jeden Tag etwas Sinnvolles gemacht.

Interview /
Es gibt viele und gute Gründe, in der Pflege zu arbeiten. Eine, die es wissen muss, heißt Ulrike Wellkamp. Die frischgebackene Rentnerin hat 45 Jahre als Krankenpflegerin am Universitätsklinikum Münster gearbeitet und alles erlebt. Sie konnte vielen kranken Menschen helfen, musste so manchen sterben sehen und hat auf medizinischen Fachkongressen in Brasilien doziert.

Wir wollten von ihr wissen, was sie jungen Leuten mitgibt, die sich genauso wie sie nach ihrem Schulabschluss für die Arbeit mit Menschen interessieren.


Frau Wellkamp, wie sind Sie zur Pflege gekommen?

Meine Mutter war Krankenschwester und dadurch war ich als Kind häufiger im Krankenhaus. Ich mochte den Geruch immer ganz gerne. (lacht) Es gab immer viel zu erleben. Ständig passierte etwas Neues. So habe ich mich 1975 entschieden, in die Fußstapfen meiner Mutter zu treten und Krankenpflegerin zu werden.

Was macht den Pflegeberuf in Ihren Augen aus?

Pflege ist aufregend – gerade die Krankenpflege. Es kommen immer neue Situationen auf einen zu, mit denen man sich auseinandersetzen muss. In den 80er Jahren war es zum Beispiel das damals unbekannte HI-Virus, vor zwei Jahren war es die Corona-Pandemie. Die Bedingungen ändern sich ständig. Darüber hinaus ist der medizinische Fortschritt wahnsinnig schnell. Das ist sehr beeindruckend und ich habe mich immer als Teil davon gesehen. Ich war bei der Entwicklung und Anwendung neuer Behandlungsmethoden dabei. Das hat mich stolz gemacht. Darum sage ich jungen Leuten immer: Befasst Euch mit dem Beruf. Es gibt so viele unterschiedliche Bereiche und Möglichkeiten. Das ist hochspannend und wird nie langweilig.

Würden Sie heute nochmal denselben Beruf ergreifen?

Auf jeden Fall. Vor allem, da ich aufgrund meiner langjährigen Erfahrungen genau weiß, was mich erwartet. Vielleicht würde ich in ein paar neue Fachrichtungen reinschnuppern. Aber den Beruf würde ich immer wieder ergreifen. Ich bin oft nach der Arbeit total kaputt nach Hause gefahren. Aber ich wusste immer: Ich habe jeden Tag etwas Sinnvolles gemacht. Das ist ein schönes Gefühl.

Keine leichten Arbeitsbedingungen und eine niedrige Bezahlung: Das sind zwei Schlagworte der Diskussion über die Situation der Pflegekräfte. Wie sehen Sie das und wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Das Hauptproblem sehe ich bei den fehlenden Fachkräften. Personalmangel gab es schon immer in der Pflege. Allerdings wurde in den vergangenen zwanzig Jahren hier zu stark eingespart. Das verschärft die derzeitige Personalsituation zusätzlich. Es rücken auch nur wenige junge Leute nach, weil sie immer nur die Probleme hören, die es in der Pflege gibt. Ich sehe hier die Politik und Krankenhäuser gemeinsam in der Verantwortung, zügig Lösungen zu erarbeiten. Sonst leidet unser Gesundheitssystem ganz erheblich.

Was würden Sie jungen Menschen sagen, die sich für einen Beruf in der Pflege interessieren, aber vielleicht noch unsicher sind?

Pflege ist ein Job mit Zukunft, denn kranke Menschen wird es immer geben. Aber im Ernst: Ich spreche mit vielen interessierten jungen Leuten. Der Beruf der Krankenpflegerin und des Krankenpflegers – ich habe es bereits erwähnt - ist abwechslungsreich und spannend. Kein Tag ist wie der andere und die Herausforderungen sind manchmal enorm. Aber auch für die Pflege gilt: Nicht jeder Mensch ist dafür gemacht. Es braucht eine gewisse psychische Stabilität, um den Beruf auszuüben. Denn oftmals werden wir mit Lebenssituationen konfrontiert, die belastend sein können. Zum Beispiel, wenn Patienten schwer erkranken und keine Heilung möglich ist.

Die Pflege kämpft mit vielen Vorurteilen à la „Immer nur Leute waschen“. Dabei ist es weit mehr als Körperpflege. Pflegekräfte sind vor allem auch medizinisch geschult.

Das stimmt. Pflegekräfte brauchen eine Menge an medizinischem Fachwissen, um im beruflichen Alltag bestehen zu können. Einen großen Teil lernt man in der Ausbildung, der Rest kommt in der Praxis. Dazulernen bleibt aber niemals aus. Der medizinische Fortschritt verlangt, sich immer wieder mit neuen Behandlungsmethoden, Medikamenten und Technologien auseinanderzusetzen.

Können Sie erläutern, warum das medizinische Fachwissen von Pflegeprofis so wichtig ist?

Im Mittelpunkt steht immer der Patient. Der hat ein Recht auf die bestmögliche Behandlung. Und im Zweifel geht es um Menschenleben. Das verlangt ein Höchstmaß an Fachwissen und Konzentration. Wenn Sie bei einer Operation assistieren, dann müssen Pflegekräfte einfach fit sein und sich auskennen. Wir sind ein zentraler Teil der medizinischen Versorgung – zusammen mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten.

Sie haben nicht nur in Deutschland gearbeitet, sondern Ihr Fachwissen auch international weitergegeben, z. B. in Brasilien. Können Sie uns das näher erklären?

Wir haben 1996 einen brasilianisch-deutschen Kongress organisiert. Die Idee hatten wir zusammen mit einem brasilianischen Arzt, der bei uns am Universitätsklinikum in Münster promovieren wollte. Ich durfte dann mit zwei Kolleginnen und zwei Ärzten nach Recife fliegen. Am städtischen Universitätsklinikum haben wir dort bei einer großen öffentlichen Untersuchung vorgeführt, wie wir in Deutschland endoskopische Behandlungen durchführen. Unsere Präsentation wurden live in viele andere Kliniken im ganzen Land übertragen. Anschließend war ich noch insgesamt drei weitere Male für verschiedene Vorträge in Brasilien. Der Austausch hat immer große Freude bereitet und war sehr wichtig – auch für meinen Horizont.

Bei der aktuellen Ausgabe von „Deutschland beliebteste Pflegeprofis“ haben die Menschen Sie bundesweit auf den zweiten Platz gewählt. Was bedeutet Ihnen diese Anerkennung und ist diese öffentliche Wertschätzung wichtig für die Pflege insgesamt?

Der Wettbewerb hat eine ganze Menge bewirkt. Ich wurde häufiger in der Öffentlichkeit angesprochen. Selbst beim Bäcker erkannte mich eine Kundin (lacht). Das Interesse an mir und meinem Beruf war auf einmal da. Viele wollten wissen: Wie ist es eigentlich in Eurem Job? Das hat mich sehr gefreut. Auch der Austausch mit anderen Pflegekräften aus ganz Deutschland war sehr gewinnbringend – ebenso die Möglichkeit, bei den Siegerehrungen mit Politikern über uns Pflegekräfte zu sprechen.

Sie blicken auf eine beeindruckende Laufbahn zurück. Sie haben tausende Menschen versorgt, ihnen geholfen und teilweise das Leben gerettet. Gibt es Momente und Patienten, die in besonderer Erinnerung bleiben?

Es sind so viele Geschichten, die in Erinnerung geblieben sind. Aber ganz am Beginn meiner beruflichen Laufbahn hatten wir eine junge Patientin, die an einem Morbus Hodgkin – einer bösartigen Tumorerkrankung des lymphatischen Systems – schwer erkrankt war. Als wir ihr helfen und sie heilen konnten, war das ein sehr bewegendes Gefühl. Es gibt natürlich auch viele Schicksalsschläge, die einen emotional sehr berühren. Aber das ist das Leben und es gehört genauso dazu.

Frau Wellkamp, wir danken Ihnen für das Gespräch.